Musik und Musizieren

Ich spiele Waldhorn.

Wer sich mit dem Blechblasinstrument Waldhorn ein wenig auskennt, weiß, dass das Treffen der Töne dem Treffen der Kugeln beim Billardspiel sehr ähnlich ist. Nicht selten passiert es, dass ein Ball oder ein Ton völlig überraschend etwas macht, was er nicht machen soll. Wie man zu einem solchen Instrument kommt, möchte ich kurz erzählen..

So kam ich zum Waldhorn

Das Waldhorn wurde mir schon in der Sexta (5. Klasse) von meinem Musiklehrer schmackhaft gemacht. Sein Trick war, uns den riesigen Dachboden der Schule ein wenig aufräumen zu lassen. Dort lagen Trompeten, Tenorhörner, Violinen, Kontrabässe, Violoncelli, Pauken, Tuben, Posaunen, Klarinetten und eben auch Waldhörner, die mir sofort gut gefielen, rein vom Aussehen her. Das bemerkte unser Musiklehrer natürlich sofort und meinte beiläufig, ich könnte ja mal eines mit nach unten nehmen, vielleicht auch mit nach Hause, denn hier oben lägen sie ja nur 'rum. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Zum Entsetzen meiner Eltern lag dann ein Waldhorn auf dem Wohnzimmertisch. Einen Klassenkameraden hatte er vor Monaten wahrscheinlich ähnlich manipuliert, und der bekam sogar schon Unterricht. So blieb es nicht aus, dass ich ihn einmal in seinen Unterricht begleitete, mit meinem Schulhorn unterm Arm. Ich konnte auf Anhieb gleich mehrere Töne hervorbringen, was als Begabung ausgelegt wurde. Aus dieser Probenstunde entwickelte sich regelmäßiger Unterricht, bis zum Abitur.

Meine Aktivitäten während der Schulzeit

Schulorchester und Musik-Arbeitsgruppen haben mir viel Spaß bereitet. Mein erstes Solo im Schulorchester musste ich als Quintaner blasen. Unser Musiklehrer hatte extra für die beiden kleinen Hornisten ein Stück arrangiert, in dem zwei Hornsignale gespielt werden mussten. Ich war zuerst dran, aber außer einem Rauschen war nichts zu hören. Erst im zweiten Anlauf gelang es. Ein gewaltiger Zwischenapplaus war die Belohnung.

Musikalische Höhepunkte jener Zeit: Die Aufführung des Horntrios von Brahms im Rahmen eines Schüler-Expertenkonzerts. Die Aula war rappelvoll. Das Lampenfieber spüre ich heute noch! Der zweite Auftritt vor großem Publikum war kurz danach: das dritte Hornkonzert von Mozart mit Klavierbegleitung. Dann gab es noch etwas Außergewöhnliches: die Uraufführung der Oper "Der Mann im Mond" von Cesar Bresgen, bei der fast alle Schüler eingebunden waren, inklusive vieler Schülerinnen des benachbarten Lyzeums.

Mein Waldhorn ist ein treuer Weggefährte

Das Waldhorn hat letztendlich meinen Berufsweg bestimmt. Das Instrument ermöglichte mir den Zugang zum Toningenieurstudium. So konnte ich Waldhorn als Hauptfach im damaligen Robert-Schumann-Konservatorium in Düsseldorf belegen. Zum Examen habe ich dann wieder das dritte Hornkonzert von Mozart gespielt. Begleitet hat mich meine Klavierdozentin.

Nach dem Studium war es dann vorbei mit dem Hornspielen, denn Hornspielen heißt: täglich üben, und sei es nur eine Viertelstunde, und das ließ der Beruf nicht zu. Erst als mein älterer Sohn – auch nicht viel älter als ich damals – Interesse an Musik und Spiel eines Instrumentes fand, habe ich mein altes Instrument entmottet. Ach so, welches Instrument mein Sohn gelernt hat? Nun ja, Waldhorn!

Ich habe dann viele Jahre im Schulorchester und im Jugendsinfonieorchester mitgespielt. Wir waren bald zu dritt, denn mein jüngerer Sohn gesellte sich als Klarinettist dazu. Nachdem die Söhne ihr Abitur gemacht hatten, bin ich noch etliche Jahre beim Schulorchester geblieben. Aber irgendwann ist auch so etwas vorbei.

Ganz Aufhören wollte ich aber noch nicht, und von daher war es ein glücklicher Umstand, als ein pensionierter Kirchenmusikdirektor anfragte, ob ich Interesse hätte, in einem klassischen Bläserquintett mitzuwirken (Flöte, Oboe, Klarinette, Horn Fagott). Ich hatte Interesse! Und ab da begann für mich etwas wirklich Neues. Das Spielen in einer kleinen Besetzung unterscheidet sich deutlich vom Spiel in einem Orchester. Ist das Hornspiel im Orchester mit vielen Tuttis, langen Pausen und völlig freien Solostellen charakterisiert, verhält es sich im Quintett anderes: Wenige Tuttipassagen, kaum Pausen, und viele sich aus dem Spielfluss entwickelnde Soli. Kann man sich im Orchester manchmal verstecken (was man natürlich nicht machen sollte und gerade beim Waldhorn meistens sowieso nicht funktioniert), fordert die kleine Besetzung permanente Präsenz. Das verleitet mich immer wieder zu der Überlegung, was angenehmer ist: 200 Takte Pausen zählen in einem Werk, das man kaum kennt, und hoffen, sich nicht verzählt zu haben, oder durchspielen. Das eine verlangte Konzentration, das andere Kondition.

Etwa zur gleichen Zeit übernahm der Leiter des Schulorchesters das Volkshochschulorchester in Gevelsberg. Er brauchte Hornisten. Also haben wir auch da viele Jahre mitgespielt. Das Quintett hat sich bedauerlicherweise 2011 aufgelöst. Aber es gibt manchmal merkwürdige Zufälle. Der Fagottist im Gevelsberger VHS-Orchester erzählte mir gern und oft von seinem Quintett in Bochum, das aber im Augenblick nicht komplett sei. Ihr Hornist wollte nicht mehr. Ich habe lange überlegt, ob ich mich noch einmal einbringen sollte. Ich habe es dann gemacht und bereue meine Entscheidung bis heute (2020) nicht.

Und da gab es noch eine besondere Herausforderung: Mindestens einmal im Jahr besuchte ich ein Musikseminar, das vom Verband bayrischer Liebhaberorchester organisiert wird. Dort bekommt man Gelegenheit, in unterschiedlichen Besetzungen zu spielen: Nonette, Oktette, Sextette und natürlich auch Bläserquintette. Die Dozenten sind professionelle Musiker. Eingeladen werden Amateurmusiker, die ein über dem Durchschnitt liegendes Niveau mitbringen müssen. Diese Seminare fordern viel Kraft, manchmal auch Mut, und sind bestens geeignet, die eigenen Grenzen sehr genau kennen zu lernen.

Das Waldhorn ist ein Ensembleinstrument

Das Waldhorn ist ein typisches Ensembleinstrument, was nicht ausschließt, dass man es auch ab und zu alleine spielen kann. Es gibt Instrumente, die – alleine gespielt – ein vollständiges Musikerleben ermöglichen, beispielsweise Klavier, Orgel, Akkordeon oder Gitarre. Gemeinsam sind diesen Instrumenten der große Tonumfang und die Möglichkeit zum polyphonen Spiel. Polyphon kann das Horn nicht und drei Oktaven sind nicht gerade viel.

Die Stärke des Horns zeigt sich im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten. Da kommt sein Klang besonders vorteilhaft zur Geltung. Das variable Klangspektrum, gebildet aus reichlich vorhandenen Teiltönen (Obertönen) vermag gegensätzliche Klänge miteinander zu verschmelzen. Leise gespielt klingt das Horn grundtönig, wirkt ruhig, sanft und geheimnisvoll. Wird das Instrument laut gespielt, verleihen die Obertöne dem Klang Dominanz. Schließlich kann man es noch kontrolliert überblasen, man nennt dies Schmettern. Dann wird der laute, scharfe Klang noch mit vielen nichtharmonischen Komponenten bereichert.

Meine Highlights in der Quintett-Ära

Das Klaviersextett op. 191b von Joseph Gabriel Rheinberger (Klavier, Bläserquintett) ist einer meiner Favoriten. Wir haben es zweimal aufgeführt. Ich habe es ungeachtet der Aufführungssituation mit großer Begeisterung und ganz ohne Lampenfieber gespielt.

Auch ein Favorit: Bläserquintett Opus 79 von August Klughardt. Ihm ist es gelungen, die fünf Instrumente als gleichberechtigte Partner auftreten zu lassen. Das Werk ist musikalisch und technisch anspruchsvoll, aber mit Willen und viel Üben durchaus auch für Laien spielbar.

Noch ein Favorit: das Sextett op. 6 für Klavier und Blasinstrumente von Ludwig Thuille.

Wir haben uns auch an einigen der zahlreichen Quintette von Anton Reicha versucht. Die technisch anspruchsvollen Werke verlangen zum Teil Virtuosität, die wir nicht bieten konnten. Die von Reicha verlangten Tempi haben wir nicht spielen können.

Unsere Klarinettistin hatte mich vor mehreren Jahren überredet, bei Schuberts bekanntem Oktett in F-Dur mitzuspielen. Dazu waren etliche Proben mit einem professionellen Übungsleiter notwendig. Am Ende stand eine gelungene Aufführung.

Sehr gerne habe ich auch zahlreiche Divertimenti von Haydn, Mozart und anderen Komponisten gespielt. Die Hornstimmen sind nicht schwierig und laufen quasi "von selbst". Das hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, sich ganz auf das Musizieren konzentrieren zu können.

Im Bochumer Quintett haben wir ebenfalls anfangs Divertimenti (Haydn, Mozart) gespielt und auch aufgeführt. Wir erarbeiten uns in kleinen Schritten auch schwierige Werke, achten immer auf saubere Intonation und trainieren sehr bewusst das Aufeinanderhören. Weil unser Oboist berufsbedingt öfter fehlt, spielen wir dann Quartett. Für Bläserquartette gibt es umfangreiche und interessante Literatur. Viel Spaß bereitet uns das Bläserquartett von Walkiers.

Zugabe

Aber genug geredet. Zum Schluss biete ich ein Hörbeispiel an.

Irgendwann war es so weit, dass die Zuhörer eine Zugabe erwarteten. Weil ich es nicht gut finde, einfach einen Satz zu wiederholen, haben wir spezielle Stücke einstudiert, darunter die "Passacaille" von Adrien Barthe, komponiert für Bläserquintett:

Als Tonmeister betone ich ausdrücklich, dass die Aufnahmen nicht korrigiert sind: gespielt wie aufgenommen.

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